Die weiße Garde - Michail Bulgakow
Buchvorstellungen

Die weiße Garde – Michail Bulgakow

September 18, 2020

Kiew 1918, das Ende des Ersten Weltkrieges ist nah. Doch für die Geschwister Turbin fängt der Krieg gerade erst an: Gnadenlos rollen zahlreiche verfeindete Truppen über die große Stadt hinweg und lassen dabei niemanden unbeschadet davonkommen. Die Schrecken des russischen Bürgerkrieges stellen den Familienzusammenhalt auf eine harte Zerreißprobe. Jelena muss nicht nur um ihren Ehemann, sondern auch um ihre Brüder bangen, die sich der Freiwilligenarmee anschließen. Im Kreuzfeuer der unermüdlichen Gefechte zwischen den Anhängern des untergegangenen Zarentums und den verhassten Bolschewiken, zwischen der weißen Garde und der Roten Armee müssen die Geschwister sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen – auch, wenn sie damit die familiäre Eintracht, ihre persönlichen Prinzipien und sogar ihr Leben aufs Spiel setzen. (Klappentext)

Durch einen Putsch wurde das Hetmanat Ukraine unter Pawlo Skoropadskyi errichtet. Ihm schlossen sich viele russische Offiziere an. Darunter auch Alexei Turbin und sein jüngerer Bruder Nikolka Turbin. Sie fanden, Skoropadskyi sei das kleinere Übel gegenüber seinen Alternativen: die Bolschewiken; der ukrainische Nationalist Symon Petljura.

Als Skoropadskyi geflohen war, hatte die weiße Garde keine Führung mehr. Für Petljuras Truppen war es ein leichtes, in die große Stadt einzumarschieren.

Detailliert, erschreckend wirklich beschreibt Bulgakow, wie die russischen Offiziere ihre Einheiten auflösten um Leben zu retten, wie Schulterstücken von den Uniformen gerissen, hastig in den Schnee geworfen wurden. Ein Überlebenskampf. Russische Offiziere, die als solche erkannt wurden, metzelte man gnadenlos nieder. Juden wurden verfolgt, geschändet, getötet – beispiellos in dieser Zeit.

Nikolka hatte Glück, er schaffte es unverletzt nach Hause. Sein älterer Bruder Alexei wurde schwer verletzt, aber auch er hatte Glück im Unglück: Eine Frau, in die er sich später verliebte, half ihm in seiner Not.

Das Buch zu verstehen, ist nicht ganz leicht. Mir fehlte dazu der geschichtliche Hintergrund, mit dem ich mich erst befassen musste.

Bulgakows Stil ist sehr plastisch, blumig, viele Szenen erschreckend real. Trotzdem ist der aufgestapelte Haufen an Metaphern mancherorts für meinen Geschmack zu reichlich (in „Der Meister und Margarita“ war genau dies unumgänglich).

Im Text, gekennzeichnet durch kleine Sternchen, die auf den Anhang verweisen, finden sich Anmerkungen, teilweise abweichende Textstellen, wie sie in der Zeitschriftenpublikation „Rossia“ 1925 erschienen sind.

Im Anhang selbst befindet sich der alternative Schluss, wie er in „Rossia“ 1925 gedruckt wurde und ein Kapitel einer früheren Arbeitsfassung des Romans, das mit dem Titel „Der rote Schwung“ 1922 in der russischen Literaturzeitschrift „Nakanune“ in Berlin gedruckt wurde.

Der geschichtliche Hintergrund

  • Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte die Ukraine zum zaristischen Russland – Großgrundbesitzer waren Russen.
  • Mit der Oktoberrevolution 1917 wurde die Ukraine, Weißrussland, die baltischen Staaten, Finnland, Polen unabhängig.
  • Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war die Ukraine von Deutschland/ Österreich besetzt.
  • Das Hetmanat Ukraine unter Pawlo Skoropadskyi wurde errichtet (Putsch).
  • Nach Rückzug der Deutschen floh Skoropadskyi nach Deutschland.
  • Symon Petljura wurde 1919 bis 1920 Präsident der Ukrainischen Volksrepublik. Seine Truppen metzelten unzählige Juden (Wikipedia spricht von 35000 bis 50000 Toten) nieder.
  • 1920 übernimmt die Rote Armee den Staat – er wird den Sowjetrepubliken (SU) angeschlossen. Petljura flieht nach Polen.

  • ISBN: 978 3 423 14738 5
  • Verlag: dtv
  • Neu übersetzt, aus dem Russischen übertragen, herausgegeben und benachwortet von Alexander Nitzberg

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