Einen halben Kilometer vor Artjom wurde 1935 die weltweit erste Meeresbohrsonde in Betrieb genommen; die Bohrung erfolgte von einem geschweißten Stahlgerüst. Als ich Kind war, umgaben solche Plattformen die Insel zu Hunderten. Zumeist waren sie über viele Kilometer lange Förderbrücken mit dem Festland verbunden, doch gab es auch Bohrinseln, die nur auf dem Wasserweg zur Küste Kontakt hatten.
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Nun stand ich wieder da am Anfang zur Nordbrücke. Rostige Rohre liefen an mir vorbei; überall nickende Pumpen, die verschlissenen Antriebsriemen an den Pleuelstangen surrten. Obligatorisch neben jeder Pumpe eine Pfütze, die zu einem Viertel aus Schweröl bestand.
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Im Mittelpunkt dieses bildgewaltigen, enzyklopädischen Romanes steht ein junger Geologe, ein Erdölexperte. Geboren im heutigen Aserbaidschan, früher Sowjetunion, floh er mit seinen Eltern nach dem Zusammenbruch der SU nach Moskau. Als er dann alt genug war, wanderte Ilja nach Kalifornien aus.
Er arbeitet für einen großen internationalen Konzern. Ein neuer Auftrag lässt ihn in seine alte Heimat zurückkehren, nach Baku und der aserbaidschanischen Halbinsel Abseron am Kaspischen Meer. – Dem Standort der Ölförderung seit den Zeiten Nobels und den Rothschilds.
Ilja trifft seinen alten Freund Hasem wieder. Dieser ist nun Ornithologe, beschäftigt sich vor allem mit Falken im Naturschutzgebiet Schirwan nahe der iranischen Grenze. Außerdem ist Iljas Jugendfreund Künstler, Heiler – ein Derwisch.
Hasems Lebensweise, sich der Natur und der Spiritualität vollkommen hinzugeben, lässt Ilja an seiner eigenen Existenz zweifeln.
Die Halbinsel Abseron
Der Roman erzählt von einem islamischen Randgebiet in einer (offiziell) atheistischen Sowjetunion. Der Autor lädt zu ausufernden Exkursionen in die Geschichte Bakus und der Halbinsel Abseron. Vieles lässt sich aus diesem Buch erfahren: Erdölförderung; die Brüder Ludvig und Robert Nobel in Baku; das Geld der Rothschilds (1912 kauft der Royal Dutch Shell Konzern die Besitzungen des Bankiers Rothschild am Kaspischen Meer) …
Es ist, als würde man mehrere Bücher mit einem Mal lesen: Ein bunter Flickenteppich aus Gegenwart, Vergangenheit, Natur, Geografie und Geologie.
Der Roman präsentiert sich wie ein Fotoalbum, gefunden auf einem verlassenen Dachboden, dessen Bilder von einem Land erzählen, von dem ich als Leser verwundert feststelle: Wieso wissen wir so wenig darüber?
Klappentext
Ilja, Geologe, Erdölexperte, Weltbürger, kehrt in die Heimat am Kaspischen Meer zurück, um seinen Freund Hasem wiederzufinden, mit dem er einst vom Paradies träumte. Er gerät in den Bann eines Menschen, dessen Lebensweise seine eigene Existenz in Frage stellt.
- ISBN: 978 3 518 42499 5
- Verlag: Suhrkamp
- Aus dem Russischen von Andreas Tretner