Paris nach dem Ende der deutschen Besatzung. Die Mandarins, das sind die Caféhaus-Intellektuellen, die sich über Politik und Literatur die Köpfe heißreden. Und mittendrin Anne Dubreuilh, die feststellen muss, dass sie als Akademikerin bei den langen Abenden voller Zigarettenrauch und Alkoholdunst wohl mitreden darf, aber dennoch den schmerzhaften Riss spürt, der zwischen männlich und weiblich, zwischen öffentlich und privat verläuft.
In ihrem mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Roman, in dem man Boheme und Literaturmilieu der Rive Gauche wiederzuerkennen meint, skizziert de Beauvoir meisterhaft das Klima im Nachkriegsfrankreich.
Die Neuordnung der Linken, die Zeit der großen politischen Umbrüche und vor allem des Feminismus in einer Zeit, in der patriarchale und nationalistische Tendenzen wieder erstarken: Die Aktualität dieses Romans ist kaum von der Hand zu weisen. (Klappentext)
Die erste Ausgabe dieses Buches erschien 1954. Der Roman umfasst eine Zeitspanne von 1944 bis 1954 und baut ein großes Panorama auf. Einerseits lässt sich die politische Entwicklung Frankreichs in dieser Zeit nachvollziehen, andererseits stehen sich hier große Charaktere gegenüber.
Aufgebaut ist der Roman so ähnlich wie eine Schicksalsgeschichte, sehr stark in die Politik der Zeit eingewoben.
Das Buch gilt als Schlüsselroman, das jenes Zerwürfnis zwischen den großen Schriftstellern jener Zeit (der Mandarins von der linken Seite des Seineufers) hervorhebt. Da ist einerseits Albert Camus (im Buch Henri Perron) und Arthur Köstler (im Buch Victor Scriassine), andererseits Jean-Paul Satre (im Buch Robert Dubreuilh).
Nebenher erzählt der Roman die Geschichte von Anne Dubreuilh, der Frau von Robert Dubreuilh. Sie kann als alter Ego von Simone de Beauvoir gesehen werden.
Trotz des komplexen Zusammenspiels der Figuren, des Zeitgeschehens, des damit erlebbaren Panoramas lässt sich der Roman, nicht leicht, aber flüssig lesen. Der Leser findet einen Text vor, in dem, einmal hineingeworfen, ein Freischwimmen erforderlich ist.
Das besondere an diesem Roman liegt in der Verknüpfung des normalen Lebens – hier in einer besseren Gesellschaft, mit den politischen Entwicklungen, politischen Sehnsüchten (linke, rechte Strömungen – dem Zuspruch zu Russland unter Stalin oder doch lieber den Amerikanern, deren Gesellschaftsform stellenweise suspekt erscheint) und der Auseinandersetzung des Zeitgeschehens. Und trotzdem bleiben letztendlich einige Fragen offen.
Der Text ist über 70 Jahre alt. Setzt man sich damit auseinander, ist es erschreckend, wie aktuell ein so altes Zeitzeugnis heute erscheinen kann.
• ISBN: 978 3 498 00436 1
• Verlag: Rowohlt
• Aus dem Französischen von Amelie Thoma und Claudia Marquardt
• Mit einem Nachwort von Nicole Seifert