Buchvorstellungen Uncategorized

Tausend und ein Morgen – Ilija Trojanow

November 22, 2023

Unter Piraten in der Karibik, mitten in der russischen Revolution – Zeitreisen sind voller Überraschungen. Fest entschlossen betritt Cya die fremden Welten. Inspiriert von der friedlichen und selbstbestimmten Gesellschaft der Zukunft, in der sie lebt, reist sie von Zeit zu Ort und versucht, die Vergangenheit von ihren Fesseln zu befreien – mit unterschiedlichem Erfolg.

Illia Trojanows utopischer Roman überschreitet spielerisch alle Grenzen und erzählt mit sinnlichen Bildern und überbordenden Geschichten von der unerschöpflichen Kraft unseres Denkens. (Klappentext)

Das Buch

Ilija Trojanows „Tausend und ein Morgen“ wird gern als utopischer Roman beschrieben. Aber ist das Beschriebene wirklich so utopisch?

Die Zukunft

Die beschriebene Zukunft ist schwer vorstellbar. Sie erscheint langweilig und öde. Die Menschen leben in sozialer Gerechtigkeit und Zufriedenheit. Es gibt kein Geld mehr, man nimmt sich einfach, was man braucht. – Die Beschreibung erinnert mich stark an die Ideen eines ehemals erstrebten Kommunismus, der nie erreicht wurde.

Umweltverschmutzung ist ein Fremdwort. Alles wird recycelt oder aufgearbeitet. Rohstoffe werden nur in geringsten Mengen benötigt.
Selbst die Genderdebatte scheint ausgestanden zu sein. Viele Bezeichnungen werden in der weiblichen Form ausgesprochen.

Gefühle wie Neid oder Hass sind so gut wie ausgestorben. Irgendwann im Laufe der Geschichte fragen sich die zukünftigen Menschen, welchen Grund es haben könnte, einen Mitmenschen (wie es in der Vergangenheit geschah) zu ermorden.
Die künstliche Intelligenz GOG ist der Meinung: „Die Geschichte ist das, was anders hätte laufen müssen“ – damit sich schon früher alles zum Besseren wandelt und der Menschheit viel Leid erspart bleibt.

Zeitreisen

Cya steht im Mittelpunkt des Romanes. Sie ist Chronautin und wagt sich in das Abenteuer der Zeitreisen. Am Anfang des Buches ist es noch eine Simulation, doch bald werden die Zeitreisen für Cya real. Das Abenteuer der Zeitreisen beginnen also erst. Sie werden als „ethische Optimierungsmissionen“ angesehen. Cya reist ins „Damalsdort“, um den Menschen viel Leid der Geschichte zu ersparen.

Pirat Fliege

Die erste Reise landet im 18. Jahrhundert. Cya taucht in dem Moment auf, als Piraten aufgehängt werden sollen. Da stellt sich heraus, der Pirat Fliege ist eine Frau!
Das Geschehen ist vergleichbar mit den bekannten Figuren Mary Reed oder Ann Bonny.

Bombay (Indien) während Religionsstreitigkeiten

Die zweite Reise führt Cya nach Bombay. Jedoch in keine Epoche, die uns bekannt ist. Das Geschehen spielt in einer nahen Zukunft. Die Welt in Indien ist in jenen Tagen in Aufruhr: Welche Religion ist die Hauptreligion?

Sarajewo – Olympische Spiele 1984

Durch einen Programmierfehler landet Cya plötzlich in Sarajewo 1984. Die Olympischen Spiele sind in vollem Gange, in Verbindung mit dem Sport sind westliche Geheimdienste genauso nervös wie ihre Konkurrenten aus dem Ostblock.

Russland 1917/ 18

Russland während der Oktoberrevolution. Auch hier erlebt Cya einige Abenteuer und versucht, zu verstehen.

Der Aufbau

Es gibt verschachtelte Szenen. Szenen die plötzlich mit spiegelbildlich auftauchenden Dialogen wechseln, deshalb sind sie auch auf der rechten Buchseite bündig gedruckt.

Fett gedruckte Satzfetzen (mitten im Satz) zeigen Wendepunkte an. So kann die Geschichte plötzlich vom „Damalsdort“ in die Zukunft wechseln. Ich finde, das ist ein gelungener Kunstgriff. Schließlich wechselt auch Cya, aufgrund der Programmierung, plötzlich vom damals in die Zukunft.

Fazit

Die Story

Cya kann der Vergangenheit nicht helfen. Sie möchte Leid lindern, Entwicklungen friedlicher einleiten. Aber der Mensch ist eben, wie er ist. Das Verständnis für eine bessere Welt muss erst wachsen.
Nur – wenn dem Menschen nicht zu helfen ist, woher kommt dann diese Zukunft?

Kein Fast Food für Lesejunkies

Der Roman ist kein Fast Food für Lesejunkies. Die Story will seziert werden, interpretiert werden. Der Leser soll, wenn er sich mit dem Stoff beschäftigt, noch lange etwas davon haben und sich lange Zeit daran erinnern.

So bleibt die Erinnerung an einen Flickenteppich, ähnlich einem farbenfrohen Lexikon, aus Vergangenheit, Zukunft und vielen Möglichkeiten.

Genau das ist es, was die Bücher von Ilija Trojanow lesenswert machen.

• ISBN: 978 3 10 397339 6
• Verlag: S. Fischer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.